KI in der Medizin – kleine Revolte oder große Revolution?

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Spätestens seit ChatGPT ist das Thema Künstliche Intelligenz in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Dass KI in der Medizin schon seit Jahren als Forschungsgegenstand und in der täglichen Arbeit von Ärzten eine wichtige Rolle spielt, dürfte den meisten Menschen weniger geläufig sein. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge? Welche Anwendungsbeispiele gibt es? Und welche Hindernisse sind noch zu überwinden? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Welche Bereiche umfasst KI in der Medizin?

KI in der Medizin ist ein Teilgebiet der Künstlichen bzw. artifiziellen Intelligenz – der AI. Diese wiederum ist ein Teilbereich der Informatik. Bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz geht es darum, Maschinen auf der Grundlage gesammelter Daten lernfähig und im weitesten Sinne intelligent zu machen. Auf die Medizin bezogen, wird der Begriff vor allem auf zwei Bereiche angewandt: die Diagnostik und die Therapie. Wie wir später erläutern werden, ist diese Abgrenzung sehr unscharf. Denn KI für Ärzte und Kliniken umfasst heute bereits mehr als nur diagnostische und therapeutische Verfahrensunterstützung. Grundsätzlich steht bei der Anwendung von KI die Optimierung von allen Arbeitsprozessen im ärztlichen Alltag im Fokus.

Wie kann KI in der Medizin durch Datenanalyse Ärzten bei der Entscheidungsfindung helfen?

Im Gesundheitssystem fallen permanent Unmengen an Daten an. Dafür verantwortlich sind etwa MRT-Aufnahmen, Zelluntersuchungen oder Blutwerte. Für Menschen sind diese Daten letztlich unübersichtlich und schwer einzuordnen. Anders für Maschinen bzw. Künstliche Intelligenz. Erfasst durch selbstständig lernende Computerprogramme und in Algorithmen übertragen, stellen die gesammelten Daten einen wertvollen Schatz dar. Sie helfen Medizinern, Vorgänge zu bewerten und Entscheidungen zu treffen. Generell lässt sich in Bezug auf KI eine Unterscheidung zwischen überwachtem Lernen und unüberwachtem Lernen treffen. Beide Varianten kommen in der Medizin in den unterschiedlichsten Ausprägungen zum Einsatz.

Wie funktioniert überwachtes Lernen?

Beim überwachten Lernen wird die Software durch Forscher oder Ärzte mit Daten versorgt, um anschließend eine bestimmte Fragestellung zu lösen. Das System lernt, Muster zu erkennen und auf andere Fälle zu übertragen. Je mehr Daten dem System zur Verfügung stehen, desto präziser fällt die Antwort aus und desto geringer ist die Fehlerquote. Ein typisches Beispiel für die Anwendung von überwachtem Lernen wäre ein Algorithmus, der zwischen einem gesunden und einem pathologischen Befund unterscheiden kann.

Ist unüberwachtes Lernen genauso effizient wie überwachtes Lernen?

Das unüberwachte Lernen unterscheidet sich vom überwachten Lernen vor allem in einem Punkt: Es handelt sich um einen Prozess, der – anders als das überwachte Lernen – mit der Einspeisung der Trainingsdaten noch lange nicht abgeschlossen ist. Das KI-System lernt vielmehr selbstständig ohne die Hilfe der eingebenden Menschen, was richtig und was falsch ist. Man spricht in diesem Fall von einem kontinuierlichen Selbstlernprozess, dessen Basis eine fortlaufende und immer besser werdende Anwendung des Systems selbst ist. Das unüberwachte Lernen ist je nach Einzelfall mindestens so effektiv wie das überwachte Lernen. Ein Beispiel wäre der Vergleich zwischen den Zellen eines Gesunden und den Zellen eines Kranken, wobei die Künstliche Intelligenz in der Medizin aufgrund ihrer im Laufe der Zeit erworbenen Erfahrung selbständig eine Klassifizierung der Differenzen vornimmt.

Exkurs: Was versteht man unter Deep Learning?

Deep Learning ist ein Fachbegriff, der häufig im Zusammenhang mit KI im medizinischen Bereich auftaucht. Man versteht darunter die Verwendung eines künstlich geschaffenen, neuronalen Netzes. Dieses neuronale Netz ist in der Lage, Daten mehrschichtig und tiefgreifend zu verarbeiten. Kleinere Einheiten übernehmen einfache Arbeiten, während größere Einheiten komplexeren Aufgaben innerhalb der mehrteiligen Fragestellung lösen. Deep Learning bezeichnet somit einen arbeitsteiligen Prozess, der äußerst leistungsfähig ist. Beispiel: Zugangssicherung von Smartphones mittels Gesichtserkennung. Auch in der Medizin hinterlässt Deep Learning mehr und mehr Spuren.

In welchen medizinischen Bereichen kommt KI zum Einsatz?

Das Anwendungsspektrum von KI in der Medizin ist nahezu grenzenlos. Theoretisch lässt sich Ki überall dort anwenden, wo Menschen auf der Grundlage von Wissen und Erfahrung eine Entscheidung treffen bzw. einen Prozess ausführen müssen. Hier eine Liste:

  • Entwicklung und Anwendung von Medizintechnik und Medizingeräten
  • Bildgebende Verfahren
  • Diagnostik
  • Medizinische Forschung
  • Roboterassistierte Chirurgie
  • Unterstützung bei Operationen
  • Personalisierte Therapie
  • Verlaufskontrolle und Überwachung von chronischen Krankheiten
  • Datenmanagement in Kliniken und Praxen

Kann KI die Größe einer Plazenta exakt bestimmen?

Ein beeindruckender Anwendungsfall von überwachtem Lernen ist die präzise Vermessung der Plazenta schwangerer Frauen mittels eines trainierten Algorithmus. Die TU München hat hierzu ein erfolgreiches Projekt durchgeführt. Ohne KI-Unterstützung ist die Größe der Plazenta traditionell nur schwer für den Arzt zu ermitteln.  Bei einer zu kleinen Plazenta besteht die Gefahr einer Unterversorgung mit bleibenden Schäden am Fötus. Das Kind muss in diesem Fall früher zur Welt gebracht werden. Das Forscherteam an der TU München hat einen KI-Algorithmus entwickelt, bei dem die Größe der Plazenta anhand von simultan erzeugten Ultraschallabbildungen bestimmt wird. Durch einen Vergleich mit anderen Plazentas erkennt der KI-Algorithmus problematische Größenabweichungen sehr schnell und äußerst präzise. Und: Füttert man den Algorithmus mit weiteren Daten, lässt er sich auch auf andere Organe und Körperteile des Fötus anwenden.

Kann KI Blutkrebs diagnostizieren?

Ähnlich beeindruckende Resultate wie bei der Vermessung der Plazenta erzielt KI auch bei der Begutachtung und Beurteilung von Blutausstrich bei Verdacht auf Blutkrebs. Besonders die Zeitersparnis fällt dabei ins Gewicht. Die KI liefert innerhalb kürzester Zeit die gleichen Resultate wie ein Histologe nach mehreren Stunden harter Arbeit am Mikroskop. Sie erkennt anhand eines neuronalen Netzwerks kranke Muster und präsentiert Zelltypvorhersagen.

Entwicklung von Medikamenten und Behandlungsplänen: Was leistet Künstliche Intelligenz?

Die Entwicklung von Arzneimitteln und Medikamenten ist in aller Regel mit hohen Kosten und einem großen Aufwand verbunden. Künstliche Intelligenz in der Medizin leistet auf dem langwierigen Weg zur Zulassung zweierlei: Sie beschleunigt den Prozess und sie senkt die Kosten. In eine Reihenfolge gebracht, sieht der Ablauf folgendermaßen aus: Die KI hilft bei der Identifikation von Zielproteinen für die Behandlung von Krankheiten, sie prüft potenzielle Verbindungen, sie assistiert bei der automatischen Auswahl geeigneter Testkandidaten für Studien und sie stellt anhand von prädiktiven Biomarkern fest, ob ein Patient voraussichtlich auf ein Medikament ansprechen wird.

Auch hinsichtlich der Zusammenstellung eines individuellen Behandlungsplans besitzt KI ein enormes Potenzial. Durch den Abgleich der Daten ähnlicher Patienten kann die Software eine Vorhersage treffen, ob ein Medikament bzw. ein Therapieplan für einen bestimmten Patienten geeignet ist oder nicht. Der sonst übliche statistische Aufwand inklusive Erfassung und Auswertung durch Menschen entfällt.

Ist KI bei der Untersuchung von Gewebedurchblutung besser als das menschliche Auge?

Verblüffenderweise ist Künstliche Intelligenz der menschlichen Intelligenz je nach Aufgabenstellung sogar überlegen. Dies gilt etwa für die Messung der Durchblutung von Gewebe. Am Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ fand hierzu ein Projekt statt. Das Forschungsergebnis: Auf der Grundlage spezieller Spektralkameradaten misst, charakterisiert und differenziert der Algorithmus die Gewebedurchblutung exakter als das menschliche Auge. Die Vorteile sind offensichtlich: Die KI hilft Ärzten bei der Interpretation von Bildern und bei der Entscheidungsfindung.

Steht das deutsche Gesundheitssystem der Entwicklung künstlicher Intelligenz in der Medizin im Weg?

Gesundheitsangelegenheiten sind in Deutschland Ländersache. Jedes Bundesland hat sein eigenes Gesundheitsministerium und sammelt eigenständig Daten. Der Arbeitseifer von KI-affinen Forschern und Medizinern wird dadurch häufig ausgebremst, denn: Obwohl die Daten prinzipiell in großer Menge vorhanden sind, ist es um deren Verfügbarkeit in einem einheitlichen Format schlecht bestellt. Der nicht vorhandene Zentralismus im Gesundheitssystem steht der Entwicklung von KI in der Medizin somit oft im Weg. Als ähnlich problematisch erweist sich der hohe Anspruch an den Datenschutz in Deutschland. Dabei wird oft nicht berücksichtigt, dass sich Forscher nicht für Personendaten an sich interessieren. Ihnen geht es ausschließlich um die Informationen, die mit dem Namen verbunden sind. Denn je mehr Informationen und Daten sie haben, desto leistungsfähiger ist die durch sie entwickelte KI.

Fazit: KI wird zum unverzichtbaren Kollegen von Medizinern

Kein Zweifel: Die Qualität der medizinischen Versorgung wird sich durch die Anwendung von KI in der Medizin deutlich verbessern. Die oben angeführten Beispiele zeigen, dass eine klug eingesetzte KI für Ärzte eine enorme Arbeitserleichterung darstellt. Sie führt zu einer besseren, weniger fehleranfälligen Entscheidungsfindung und hilft bei der Optimierung von Arbeitsprozessen. Und zwar nicht nur beim Patientenkontakt in der Praxis oder Klinik, sondern bereits im Vorfeld – bei der Medikamentenentwicklung und bei der Entwicklung von medizinischen Geräten oder Therapiegeräten. Fragen? Nehmen Sie Kontakt auf und kommen Sie mit uns ins Gespräch!

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